Weniger Regulierung, mehr Baukultur – wie die Schweiz den Paradigmenwechsel schafft
- pascal babey
- Sep 29
- 2 min read
Updated: 1 day ago

Wer heute in der Schweiz ein Einfamilienhaus oder eine grössere Überbauung realisieren möchte, steht vor einem Hindernisparcours. Der Bauprozess ist kompliziert, langwierig und teuer geworden. Doch genau hier liegt auch eine Chance: Wir können die Art und Weise, wie wir bauen, neu denken – und die Schweiz als Modell für intelligente, zukunftsfähige Stadt- und Siedlungsentwicklung positionieren.
Von der Regulierungsflut zur Klarheit
Die Regulierungsdichte im schweizerischen Bau- und Planungsrecht hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Gesetze und Verordnungen greifen immer tiefer in Detailfragen ein. Anstatt aber weitere Vorschriften zu erlassen, braucht es den Mut zur Vereinfachung.
Ein Paradigmenwechsel bedeutet: Wir schaffen klare, verständliche Regeln, die allen Akteuren Sicherheit geben – und verzichten auf überregulierende Mikromanagements. Kantone harmonisieren zentrale Normen, Doppelspurigkeiten verschwinden. Bewilligungsbehörden gewinnen dadurch wieder den notwendigen Handlungsspielraum, um zukunftsfähige Lösungen zu ermöglichen.
Ein Blick nach Kopenhagen zeigt, wie das geht: Dort wurde die Baugesetzgebung gestrafft und digitalisiert, wodurch Verfahren deutlich kürzer und transparenter sind. Gleichzeitig schafft die Stadt mit mutigen Leitbildern Klarheit für Investoren und Planer, ohne in kleinteilige Detailvorgaben zu verfallen.
Konflikte als Motor für Innovation
Heute stehen sich verschiedene Rechtsbereiche oft im Weg: Brandschutz, Denkmalschutz, hindernisfreies Bauen, Energievorschriften. Statt dass diese Normen gegeneinander ausgespielt werden, können sie im neuen Verständnis produktiv zusammengedacht werden.
Ein Beispiel: Ein denkmalgeschütztes Gebäude, das energetisch saniert wird, muss nicht länger Opfer eines Normenkonflikts sein. Mit flexibleren Regeln, digitalen Simulationen und integraler Planung können Denkmalschutz und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen. Konflikte werden so zu Katalysatoren für Innovation.
In Dänemark ist dieser Ansatz längst Realität: Dort wurden Pilotprojekte gezielt genutzt, um neue Standards zu erproben – beispielsweise bei der Kombination von Holzbau und Brandschutz. So entsteht ein dynamisches Zusammenspiel von Recht und Innovation, statt ein lähmendes Gegeneinander.
Einsprache- und Rekurswesen neu denken
Die Einsprache ist ein hohes Gut unserer Demokratie. Sie sichert Rechte und schafft Transparenz. Doch ihre missbräuchliche Nutzung blockiert heute viele Projekte. Der Paradigmenwechsel bedeutet nicht Einschränkung, sondern Beschleunigung: Verfahren werden digitalisiert, Fristen verkürzt, die Begründungspflicht gestärkt.
So bleibt das Mitspracherecht erhalten, wird aber konstruktiver. Bürgerinnen und Bürger können früher und niederschwelliger in den Planungsprozess eingebunden werden, wodurch Konflikte gar nicht erst zu juristischen Auseinandersetzungen eskalieren.
Auch hier lohnt der Blick nach Norden: In Kopenhagen setzt man auf echte Partizipation. Mit digitalen Plattformen und „Stadtlaboren“ werden Bürgerinnen und Bürger schon in der Planungsphase einbezogen – nicht erst im Einspracheverfahren. So entsteht Mitgestaltung statt Blockade.
Verdichtung als Chance für Lebensqualität
Die innere Verdichtung ist mehr als ein planerisches Schlagwort – sie ist die zentrale Antwort auf Zersiedelung, steigende Bodenpreise und Klimawandel. Doch Verdichtung darf nicht auf maximale Ausnutzung von Parzellen reduziert werden.
Visionär gedacht, bedeutet Verdichtung:
Grüne Höfe und Dachgärten, die Erholung und Biodiversität fördern.
Mischgenutzte Erdgeschosse, die Quartiere beleben.
Kurze Wege, die den Alltag erleichtern und Mobilität nachhaltig gestalten.
Digitale Planungsinstrumente, die unterschiedliche Szenarien simulieren und Partizipation ermöglichen.
Kopenhagen macht vor, wie das gelingt: Projekte wie „Ørestad“ oder die Transformation ehemaliger Hafengebiete zeigen, dass Verdichtung mit hoher Lebensqualität vereinbar ist – wenn man auf gute Freiräume, Architekturvielfalt und Mobilitätslösungen setzt. Radwege, Wasserflächen und eine klare Vision machen die Dichte dort zum Gewinn.