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Zwischen Sehnsucht und Schuld: Über die Widersprüche des Tourismus in Zeiten der Klimakrise

  • Writer: pascal babey
    pascal babey
  • 6 days ago
  • 2 min read

Lorenz Richard Photography
Lorenz Richard Photography

Die Berge waren immer mehr als nur Landschaft. Sie sind Projektionsflächen für urbane Sehnsüchte, Resonanzräume für eine tiefer liegende Erfahrung von Freiheit und Entgrenzung. Graubünden als touristische Destination lebt von dieser kollektiven Imagination der Unterländer: dem Bild der unberührten Natur, der intakten Dörfer, der beruhigenden Langsamkeit. Doch je stärker dieses Bild vermarktet wird, desto mehr droht es, an sich selbst zu zerbrechen.

Wir stehen heute vor einem fundamentalen Widerspruch: Die Menschen wollen reisen – sie müssen es vielleicht sogar, um sich selbst im Kontrast zum Gewohnten zu erkennen. Gleichzeitig ist der Tourismus mitverantwortlich für die Zerstörung jener Welt, die er zu versprechen vorgibt.


Viele touristische Bauten in den Alpen stammen aus einer Zeit renditegetriebener Hotelkomplexe. Sie sind architektonisch, energetisch und betrieblich in die Jahre gekommen. Doch genau hierin liegt eine Chance. Denn der notwendige Wandel kann mehr sein als ein Reparaturbetrieb. Er kann zum Motor für einen neuen Umgang mit Raum, Ressourcen und kultureller Identität werden. Voraussetzung ist der Mut zu innovativen Konzepten, die ökologische Verantwortung mit wirtschaftlicher Tragfähigkeit und gestalterischer Qualität verbinden.


Ein nachhaltiger Tourismus braucht nicht mehr von allem, sondern besser Gedachtes: Statt Standardhotellerie – alpine Hybride mit Mehrfachnutzung. Statt kurzatmiger Erlebnisarchitektur – Räume für Beziehung, Resonanz und Bedeutung. Der Umbau des Bestandes, die Stärkung lokaler Wertschöpfungsketten, der Rückgriff auf ortsspezifische Materialien und klimagerechte Bauweisen sind keine Einschränkungen, sondern kreative Hebel für echte Innovation.


Dass dies möglich ist, zeigen exemplarisch Projekte wie die Casa Caminada in Fürstenau, wo traditionelle Baukultur und regionale Kulinarik eine stimmige Einheit bilden. Oder die Ferienhäuser von Peter Zumthor in Leis, die in ihrer Materialität, Einfachheit und Stille eine radikal zeitgenössische, aber zutiefst ortsverbundene Gastlichkeit formulieren.

Denn nachhaltige Architektur im Tourismus ist keine moralische Pflichtübung – sie ist Ausdruck einer neuen Erzählung: vom bewussten Reisen, vom sinnhaften Verweilen, vom alpinen Raum als kultureller Landschaft, nicht als blosser Konsum.

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